Das sind die sieben Australian Sheperd Hunde von Jacqueline Boy. Die 48jährige gründet 2005 den gemeinnützigen Verein „Kinderschutzengel e.V.“ in Berlin. Seit dem arbeitet sie mit ihren Hunden ehrenamtlich in Vollzeit, um chronisch kranken und behinderten Kindern mit ihren Familien zu helfen.
Cujo, Berlios, Merlin, Tiffany, Snow, Spirit und Sheila sind bundesweit die einzigen Therapiehunde, die direkt auf die Stationen von sechs Krankenhäusern in Berlin und Brandenburg dürfen. Mehrmals in der Woche besuchen sie dort Kinder und schenken ihnen Kraft, Lebenswillen, ein Lächeln und Zeit, in der sie nicht an ihre Sorgen und Schmerzen denken.
Wie kamst Du dazu den Kinderschutzengel Verein zu gründen?
Ich habe 2004 nach der Geiselnahme in Beslan Pakete für die hilfsbedürftigen Kinder verschickt und teilweise auch Kinder für Behandlungen nach Deutschland geholt, habe Spenden für die Operationen gesammelt und mich um die Betreuung der Kinder und ihrer Familien hier in Deutschland gekümmert. Durch meine Arbeit hatte ich damals schon Kontakt zu vielen Krankenhäusern und stellte fest, dass es den Kindern in Deutschland auch nicht wirklich gut geht. Die meisten Kliniken haben kaum psychologische Kräfte. Die Eltern stehen teilweise 15 Stunden am Bett, sind am Ende ihrer Kräfte, haben niemanden. Krankenkassen streichen Unterstützungen. Also habe ich Kinderschutzengel e.V. gegründet und den Besuchsdienst auf den Stationen eingeführt.
Wie können die Hunde kranken Kindern helfen?
Die Hunde vermitteln ein Gefühl von Nähe, Wärme und Geborgenheit. Traumatisierte Kinder reden wieder, Schwerbehinderte lächeln. Es ist ärztlich nachgewiesen, dass der Blutdruck und der Herzschlag sinken. Die Kinder werden ganz ruhig. Spastiker z.B. entkrampfen, werden locker und öffnen ihre Hände. Besonders beim Kontaktliegen. Also, wenn der Hund im Bett ganz eng am Kind liegt, entspannen sich diese Kinder. Das erleichtert dann auch die Arbeit des Physiotherapeuten. Wir besuchen aber auch einfach nur Kinder nach einer OP oder die auf ein Spenderorgan warten. Diese Besuche sind einfach für die Glückmomente.
Ist immer eine Physiotherapeutin oder jemand vom Krankenhaus dabei?
Ja, ich sehe mich selber eher als Vermittlerin, als Begleitperson der Hunde. Vor Ort habe ich meistens meine Fachkräfte. Z.B. im Helios Klinikum Emil von Behring. Da arbeite ich mit einer Psychologin und Physiotherapeutin zusammen, die mir ihre Kinder bringen. Heute kam erst ein blindes Kind im Rollstuhl. Dabei ging es eher darum die motorischen Fähigkeiten zu verbessern oder einfach zu entdecken. Mein Hund Snow setzte sich auf den Schoß des Jungen. Die Physiotherapeutin Barbara arbeitete dann einfach mit der Hand des Kindes am Hund. Er fühlte einfach nur und das macht ein blindes Kind viel intensiver als es ein sehendes. Der Junge ist halt immer verkrampft in den Armen und hat Spastiken. Und wenn du den Hund dann dazulegst, wird alles weich. Er kann entspannen. Und das tut ihm unwahrscheinlich gut.
Schwerstarbeit für die Hunde
Du bleibst aber bei den Therapiesitzungen immer dabei?
Ich bin ganz wichtig für die Hunde. Sie sind auf mich fokussiert. Das Arbeiten mit den Kindern kann ja auch ein bisschen unangenehm für sie sein. Die Bewegungen sind meistens unnatürlich, die Kinder riechen anders und machen oft komische Geräusche, sind laut. Auch das Kontaktliegen machen Hunde eigentlich nur im Rudel. Also das ist schon schwere Arbeit für die Hunde.
Ich habe deswegen ziemlich schnell gesagt, dass wir mit Kindern ab 3 arbeiten. Für mich ist auch der Tierschutz immer sehr wichtig. Du kannst dem Hund das nicht zumuten, wenn ein Kind nicht in der Lage ist z.B. motorisch zu streicheln. Das ist auch ein Risiko. Jeder Hund, egal wie ausgebildet er ist, kann beißen, wenn er an seine Grenze kommt.
Wie schützt Du Deine Hunde vor einem „Burn-Out“?
Das Schöne und Gute ist, dass wir bei Kinderschutzengel so viele Hunde haben. Ich frage mich, wie das andere Besuchs- oder Therapiehunde machen, die alleine arbeiten und dann nicht zum Patienten passen oder halt der Hund mal nicht mehr kann. Sobald ich sehe, dass ein Hund erschöpft ist, nehme ich ihn direkt raus. Und ein anderer springt ein. In Gruppentherapien brauchen sie Rückzugsmöglichkeiten. Ich habe immer mindestens vier Hunde dabei. Das ist tierschutzrelevant.
Eingesetzt werden sie je nach den Bedürfnissen der Patienten. Sheila kannst Du z.B. nicht für kleine Mädchen nehmen. Dafür aber für behinderte Kinder und Bettbetreuung, da sie so klein ist und sich dazulegen kann. Für kleine Kinder, die Hunde auch schnell mal in den Schwitzkasten nehmen, ist Merlin oder auch Cujo super. Man muss immer schauen, welche Hunde zu Kindern passen. Das ist ganz wichtig. Wenn du sie zu etwas zwingst, können sie auch krank werden.
Ich vermute, dass Du auch oft auf Kritiker stößt, die Hunde in Krankenhäusern nicht so gerne sehen?
Kritik von Krankenschwestern oder Patienten gibt es sehr selten. Es gab mal einen älteren Herren der uns zurief „Das ist ja unmöglich mit den Hunden hier“. Aber das ist wirklich nur einmal in den Jahren passiert. Die Hunde riechen auch nicht. Vor jedem Besuch werden sie gebürstet und gestriegelt und kriegen extra Kokosöl ins Fell und dann verbreitet sich nicht dieser typische Hundegeruch .
Wenn die Hunde sich in die Betten legen, liegen sie auf speziellen Unterlagen, die danach weggeworfen oder vom Krankenhaus gereinigt werden. Selbst Leute, die Hunde nicht mögen, sind dankbar und lassen sich sehr schnell überzeugen.
Wir werden mittlerweile sogar von Kliniken bei Beißvorfällen angefragt. Ein sechs Jahre altes Mädchen wurde von einer Bulldogge mehrmals in das Gesicht gebissen. Gleich am zweiten Tag sind wir auf die Krankenstation gerufen worden. Unsere kleine, sehr ruhige Hündin Snow schaffte es sofort eine Verbindung aufzubauen. Wir halfen dem Mädchen Hunde besser lesen zu lernen. Wann möchte er angefasst werden, woran erkennt man, dass er freundlich ist.
Neben den Besuchsdiensten in Krankenhäusern organisierst Du aber auch noch viele Feste für die Kleinen und deren Verwandte und Freunde.
Zu Weihnachten, Ostern, Halloween, eigentlich zu allen saisonalen Festen organisieren wir kleine Feiern auf den Stationen. Das machen wir jedes Jahr. Zu Weihnachten verteilt der Weihnachtsmann Geschenke, an Nikolaus füllen wir Socken mit Süßigkeiten, die die Krankenschwestern dann über Nacht über die Bettchen hängen. Und das kommt so gut an.
Helfen verleiht Flügel
Das ist neben dem Zeitaufwand auch ein großer Kostenaufwand?
Mittlerweile haben wir große feste Paten und Sponsoren. Am Anfang waren das einige Spielwaren-Hersteller, die halt mal 10 Spiele oder so gespendet haben. Aber das bringt mir nichts. Ich möchte nicht unbescheiden sein, aber ich habe teilweise Stationen mit 150 Kindern und es geht nicht, dass einige Kinder was bekommen und andere nicht. Schenken ist so wichtig. Wir würden z.B. keine Kugelschreiber oder Blöcke mit Firmenlogo verschenken. Das geht nicht.
Mittlerweile haben wir Goliath-Toys als Haupt-Sponsor. Von denen kriegen wir wirklich Palettenweise Spiele. Ohne die wüsste ich gar nicht, wie ich weiter machen sollte. Das sind Summen, weit über dem vierstelligen Bereich. Damit kann ich arbeiten. Regelmäßige Spenden bekommen wir auch durch Erlöse von Klebefieber. Zusammen mit Prominenten haben wir dort eine eigene Kollektion entworfen. Dann haben wir noch einige Plüschfirmen, von denen wir die Stofftiere bekommen. Dieses Jahr haben die Mitarbeiter von Vattenfall Strom Päckchen mit Babyspielzeug geschickt.
Neben den saisonale Festen, wird einmal im Jahr zur großen Sommernachtstraum-Gala geladen. Letztes Jahr haben wir die sechste Gala organisiert. Im Mittelpunkt stehen da 200 Kinder, die an Herz- und Krebserkrankungen oder Mukoviszidose leiden. In Begleitung ihre Eltern und Verwandten feiern sie zusammen mit prominenten Gästen, die Kinderschutzengel e.V. als Botschafter unterstützen.“
Das kannst Du doch alleine gar nicht alles schaffen. Wer hilft Dir?
In Berlin haben wir ca. 20 Leute. Viele Bankerinnen und ehemalige Patienten. Alle arbeiten ehrenamtlich. Sie sind vor allen bei den Festen und der Gala dabei oder helfen mit, Geschenke zu verpacken. Drei von Ihnen kommen auch mit in die Krankenhäuser.
Ich bekomme eine Aufwandsentschädigung von 400,- Euro. Ich mache das in Vollzeit und bekomme auch keine Rente, aber ich habe einen Mann. Der muss dann ran. So groß, dass ich mir ein Gehalt rausnehmen könnte, sind wir einfach nicht. Es gibt andere Vereine, auch kleine Vereine, die haben 25 Festangestellte. Da frage ich mich echt, wie das geht. Das Ding ist, andere Spendenvereine sind Konkurrenten. Das muss man schon so sehen. Entweder die Spenden landen bei uns oder halt bei den anderen. Das ist ein hartes Business „Wer bekommt die Spende von Frau Müller“.
Ich stelle es mir auch sehr schwer vor, ständig mit dem Thema Krankheit und Sterben umzugehen. Wie gehst Du mit dem Leid um Dich herum um?
Es ist schon sehr schwer. Es gibt Kinder, die hab ich sofort ganz fest im Herzen. Ich kann nicht immer eine professionelle Distanz bewahren. Und wenn sie dann wirklich sterben, sitze ich danach auch zuhause und heule. Ich bin ja nur ein Mensch. Aber am nächsten Tag muss es weiter gehen, denn es warten die nächsten Kinder. Ich tröste mich mit dem Gedanken, dass wir den sterbenden Kinder schöne Momente schenken. Ich habe mir also niemals die Frage gestellt „Höre ich jetzt auf?“ Ich möchte nichts anderes mehr.
Was wünscht du Dir für die Zukunft?
Geld für eine Bürokraft. Ich hasse die Buchhaltung. Wir haben strenge Auflagen, haben einen Wirtschaftsprüfer. Es gibt da schon viel zu tun. Eine Ehrenamtliche macht schon mal die Spendenbescheinigung. Das hilft mir sehr.
Ich bin beeindruckt von Jacquelines Stärke, ihrer positiven Art und ihrem Willen. Sie ist ein wahnsinnig fröhlicher Mensch und strahlt unendlich viel Stärke aus. Stärke und Kraft, die sie an die Kinder und ihre Eltern weitergibt und ihnen das Leben ein wenig erleichtert.
Danke Jacqueline für das Interview und Deine Arbeit!
Und wenn Ihr Euch Flügel wachsen lassen wollt, dann helft gerne mit Sach- oder Geldspenden.
Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft
IBAN: DE08100205000001151500 BIC: BFSWDE33BER
Informationen zum Verein und Spendenmöglichkeiten findet ihr unter: www.kinderschutzengel.de
5 Comments
Thor und Anja
27. März 2018 at 13:48Was für ein toller Bericht und was für eine tolle Frau. Hunde können so sehr helfen.
balufromtheblog
27. März 2018 at 15:39Danke liebe Anja!
Viola
29. März 2018 at 18:04Toller Bericht, tolle Menschen, tolle Tiere…….ich bin gerührt
balufromtheblog
17. Juni 2018 at 20:15Danke liebe Viola!
Spendenideen für Hilfsprojekte & Helfer auf vier Pfoten - Balu From the Blog
5. Dezember 2018 at 8:57[…] Boy und ihren Verein „Kinderschutzengel“ habe ich bereits in einem Blogbeitrag vorgestellt. 2005 wurde der Berliner Verein von ihr gegründet und seit dem arbeitet sie mit ihren […]