Ich habe etwas Bauchschmerzen bei dem Gedanken, gleich „S.O.S. Animal Rescue“ auf Mallorca zu besuchen. Dass die Haltungsbedingungen schwierig sind und die Tiere dort leiden, ist klar. Die Bilder werden mich bestimmt lange begleiten. Aber die Hunde haben wenigstens eine Chance auf ein besseres Leben. Sie haben es aus der Tötungsstation geschafft.
An meinem letzten Urlaubstag auf Mallorca bin ich mit Anke Schürmann verabredet. Sie arbeitet seit sechs Jahren ehrenamtlich im Tierheim des gemeinnützigen Vereins, der bedürftige Tiere auf der Insel rettet, vermittelt, Aufklärungsaktionen zu Kastrationen initiiert und vieles mehr. Anke kümmert sich um die Vermittlung der Hunde in Zusammenarbeit mit deutschen Organisationen „Vergessene Pfoten Stuttgart“, oder „Petangels“. Sie füttert die sozialen Medien mit Fotos und Videos, arbeitet mit Angsthunden, fährt sie zum Tierarzt. Als ich sie kennenlerne und im Umgang mit den Tieren erlebe, bemerke ich sofort wie viel Liebe, Herz und Wärme sie für die Tiere übrig hat.
Um zum Tierheim zu kommen, muss ich erstmal an der staatlichen Tötungsstation „Perrera“ (spanisch) vorbei. Mit dieser arbeitet „S.O.S. Animal Rescue“ zusammen. Hört sich erstmal komisch an, aber die Gesetze verlangen, dass alle Tiere erstmal dorthin gehen. Mitarbeiter in der Tötungsstation entscheiden, welchen Hund sie selbst vermitteln, welchen sie an „SOS“ geben oder welchen sie töten. Letzteres passiert i.d.R. nur noch, wenn die „Perreras“ zu voll sind.
Als ich in dem kleinen Container Büro des Vereins ankomme herrscht viel Trubel. Die Veterinärin der Perrera ist gerade anwesend, so wie eine deutsche Tierärztin, die zweimal in der Woche nach den Hunden sieht. Die Haupterkrankungen sind hier vor allem Leishmaniose, Durchfälle und Augenentzündungen. Die Widerstandsfähigkeiten der Hunde sind aufgrund der Haltung viel geringer.
Als Anke die morgendliche Routine erledigt hat, kann sie mich über das Gelände und zu den Hunden führen. Sie öffnet die Gittertür und Lucky wartet mit ausreichend Abstand auf uns.
Lucky wird niemals ein Zuhause finden
Anke erklärt: „Lucky hat eine besonders schlimme Geschichte. Er ist drei Jahre lang in einer Art Kellerverlies in Palma eingeschlossen gewesen. Ohne Licht. Er ist schwer traumarisiert und schon seit zwei Jahren bei uns. Er frisst mir zwar aus der Hand, aber anfassen kann ich ihn immer noch nicht. Er ist also auch nicht mehr vermittelbar. “
Lucky ist der einzige Hund, der im eingezäunten Bereich frei rumläuft. Wegen seiner Erfahrungen betritt er keine Räume mehr. Auch nicht um sich vor dem Regen zu schützen. Lieber friert er unter freiem Himmel.
Das geht an niemanden spurlos vorbei
Mir bricht es das Herz: „Anke, wie machst Du das? Wie kannst Du mit dem Leid umgehen?“
Anke:“ Manchmal schaffe ich es nicht, ich habe schlaflose Nächte, bin kurz davor alles hinzuschmeißen. Das ist schon alles schwer und geht nicht spurlos an mir vorbei. Gar nicht. Aber wenn ich dann die Erfolgserlebnisse und Happy Ends sehe, dann schöpfe ich Kraft weiter zu machen.“
Martine:„Gibt es viele Ehrenamtliche die hier herkommen, um zu helfen, aber dann sagen „ich kann es doch nicht““?
Anke: „Ja. Sehr viele. Und ich kann es verstehen. Das war für mich genauso am Anfang. Die ersten Male habe ich auch überlegt, ob ich das weitermachen kann.“
Eine, die weitermacht und regelmäßig kommt, ist die Schweizerin Christina. Sie ist oft auf Mallorca und verbringt viel Zeit bei den Hunden.
Ich treffe Christina bei dem Geschwisterpaar Laika und Drago. Sie haben Angst vor allem, was sie nicht kennen. Vor Wind, vor fremden Menschen. Christina nimmt sich die Zeit, um einfach bei ihnen zu sitzen. Menschliche Nähe und ein bißchen Wärme zu geben. Die beiden Hunde vertrauen ihr und es hilft in Zukunft vielleicht schneller fremden Menschen zu vertrauen und ein Zuhause zu finden.
Notpfoten, die bereits in Deutschland sind und ein Zuhause suchen, findet Ihr hier
Die Arbeit hält immer wieder Erfolgserlebnisse bereit
Anke:“ Es ist so schön, wenn Du den Durchbruch zu den Tieren findest und sie vertrauen Dir dann plötzlich. Wir haben manchmal so panische Hunde dabei, die das Schlimmste erlebt haben. Die sitzen dann hier, beißen nur um sich. Ich setze mich nur dazu, lass die Hunde kommen. Und nach ein paar Tagen macht es dann Klick und sie vertrauen mir. Das ist das Schöne daran. Dann ist es aber immer noch ein langer Weg. Bis sie an der Leine laufen, raus können und schließlich eine Familie finden.
Zur Zeit warten etwa 40 Hunde auf eine Vermittlung. Und noch viel mehr Katzen. Katzen werden besonders oft ausgesetzt und in Mülltonnen gefunden. Sie sind meist nicht kastriert, vermehren sich auf der Insel also rasend schnell. Deswegen ist eine Hauptaufgabe des Vereins auch das Kastrationsprogramm und die Aufklärung.
Der Umgang mit Tieren ist in Südeuropa oft ein anderer als bei uns in Deutschland
Mittlerweile kommen auch regelmäßig junge Spanier für Gasssirunden mit den Hunden vorbei. Es hat in der Generation schon ein Umdenken stattgefunden, sagt Anke. Aber es kommt trotzdem noch oft vor, dass Familienhunde von ihren Besitzern abgegeben werden und sie es sogar die Tötung des Tieres in Kauf nehmen. Der Grund: Sie haben keine Lust mehr auf das Tier. Elvis ist so ein Fall. Er ist 1,5 Jahre. Er leidet Höllenqualen, weil er das Eingesperrt sein nicht gewohnt ist. Er leidet so sehr, dass er nicht ans Fressen denken kann. Nur wenn man sich daneben setzt. Elvis sehnt sich nach menschlichem Kontakt. Sobald wir uns von seinem Gitter entfernen bellt er ganz verzweifelt.
Anke:„ Wir haben eine Pflegefamilie im Norden Deutschlands für ihn gefunden und suchen jetzt dringend einen Flug für ihn nach Hamburg ab dem 15.10.“
Selbst das Tierheim bekommt die Thomas Cook Pleite zu spüren. Es finden sich viel weniger Flugpaten für die Hunde, die ausreisebereit sind. Stattdessen harren sie Tage und Nächte in ihren feuchten Verliesen aus!
Jagdhunde haben es besonders schwer auf der Insel
Jagdhunde, die ihren Job aufgrund von Altersschwäche oder Krankheit nicht mehr machen können entsorgen die Jäger und lassen ihre Wut an den Tieren aus. Anke ist schon froh, wenn die Jäger die Hunde wenigstens direkt im Tierheim abgeben, anstatt sie an einer Strasse stehen zu lassen.
In der Quarantänestation sitzen zur Zeit auch zwei Junghunde. Aramis ist 5 Monate und hat ein blindes Auge. Sein Freund Aris ist sogar erst 3 Monate und leidet unter einem Hüftschaden. Ausgesetzt, weil sie nicht mehr für die Jagd taugen. Für sie hat Anke ebenfalls eine Familie gefunden. Nur der Flug ins Glück nach Stuttgart fehlt noch.
„SOS“ ist wie viele gemeinnützige Vereine auf Hilfe angewiesen. Baustellen gibt es immer und überall.
„Was sind die größten Herausforderungen oder Baustellen für Euch?“
Anke:“ Im Moment läuft es darauf hinaus wieder alles winterfest zu machen. Hütten stabiler zu machen, Mäntel für die Hunde zu besorgen und Decken. Flugpaten brauchen wir das ganze Jahr über. Genau wie Pflegefamilien. Aber finanzielle Hilfe ist ausschlaggebend. Für die laufenden Kosten, wie Tierarztrechnungen.
Ich bin vor Ort überraschend abgeklärt, konzentriere mich auf das Filmen und Zuhören. Zuhause weine ich und denke seit meinem Besuch jeden Tag an Anke und die Hunde.
Über die Internetseite von „SOS Animal Rescue Mallorca“ erfahrt Ihr mehr über den Verein oder bei Facebook. Aber vor allem auf Ankes Facebook Seite bekommt Ihr in deutsch den neusten Stand zu Tieren, Informationen zu aktuell benötigter Unterstützung und einen direkten schnellen Kontakt bei Fragen oder Hilfsangeboten.
Ich danke Euch für Euer Interesse, fürs Weitersagen und für Spenden.
Ich habe Euch meine Eindrücke und die Interviews in einem Video zusammen geschnitten
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