Die Entscheidung mich vegan zu ernähren treffe ich aus ethischen Gründen – für mich.
Aber kann ich die auch für meinen Hund treffen? Ist es möglich Balu vegan zu ernähren? Bekommt er alle Nährstoffe und kann veganes Essen vertragen? Das Wohl meines Hundes steht für mich im Vordergrund. Zumal er mit 10,5 Jahren ein Senior ist. Soll ich ihm also eine Ernährungsumstellung noch antun? Und wie kann ich auf Vorurteile in den sozialen Medien reagieren? Da bin ich als Veganerin bereits Einiges gewöhnt. Ich muss mir also Hilfe holen.
„Jeder Ernährungsform spaltet die Gemüter“
Dr. Julia Fritz, Fachtierärztin
Ich verabrede mich online mit Fachtierärztin Dr. Julia Fritz von napfcheck.de. Sie berät Besitzer*innen mit kranken und gesunden Hunden, die barfen, selbst kochen, Fertigfutter füttern oder sich für eine vegetarische oder vegane Ernährungsform entschieden haben.
BFT: Warum gibt es so viele Diskussionen, um die vegane Ernährung?
FRITZ: Zunächst sei gesagt, dass jede Ernährungsform die Gemüter spaltet. Die vegane Ernährungsform birgt noch eine weitere ausschlaggebende Komponente. Die Emotionalität. Da die Besitzer sich aus einem zumeist ethischen Grund für die vegane Lebensweise entscheiden. Als Tierärztin betrachte ich aber jede Ernährungsform neutral und kläre immer nach bestem Wissenstand auf.
BFTB: Diese Emotionalität kann ich natürlich bestätigen. Von beiden Seiten. Schließlich geht es nicht nur um eine persönliche Entscheidung. Es ist auch aus wissenschaftlicher Sicht eine notwendige Wende, um Leben zu retten. Unser eigens und das von anderen Lebewesen, indem wir unsere Umwelt wieder ins Gleichgewicht bringen und den Klimawandel stoppen. Diese Notwendigkeit bedeutet ein Stück seiner Bequemlichkeit aufzugeben, was selbstverständlich auch eine Emotionalität auf der „Gegenseite“ hervorruft.
„Im Gegensatz zum Wolf, ist der moderne Haushund an eine stärkereiche Nahrung gewöhnt “
Dr. Julia Fritz
FRITZ: Fakt ist, dass wir in der Fütterungspraxis auf viele Jahre Mischfutter zurückblicken. In den vergangenen 10, 20 Jahren hat sich die Rohkostfütterung in den Vordergrund geschoben. Und seit etwa 3 oder 4 Jahren rückt die vegane Ernährungsform mehr in den Vordergrund. Sie ist also noch wenig erforscht. Die Grundlagenkenntnisse sind gut, jedoch ausbaubar. Als Fachtierärztin bin ich mir meiner Verantwortung bewusst, dass ich besonders aufpassen muss, welche Empfehlungen ich ausspreche.
Zusammen mit Frau Dr. Fritz möchte ich mir zunächst ein paar Vorurteile und Fragen rund um vegane Hundeernährung anschauen, die mir in Diskussionen immer wieder begegnen
BEST OF 3
- Der Hund stammt vom Wolf ab. Vegane Hundeernährung ist nicht artgerecht
FRITZ: Es gibt tatsächlich keine wissenschaftliche Definition von „artgerecht“. Und Hunderassen haben sich an einen höheren Stärke Anteil in der Nahrung gewöhnt, die Power und Energie liefert. Wir Menschen haben im Zuge des Sesshaftwerdens mehr Getreide angebaut und uns und damit auch den Hunden eine neue Energiequelle erschaffen. D.h. auf genetischer Ebene gibt es Unterschiede zwischen Hund und Wolf. Stärke reichere Produkte, also pflanzliche Produkte dürfen also durchaus mit in die Ernährung eines modernen, domestizierten Hundes. Das sieht aber nicht jeder so. Nur ¼ der Hunde leben übrigens in menschlicher Obhut. Alle anderen leben wild und suchen sich was, sie kriegen. Und das ist meistens Abfall. - Der Hund hat ein Fleischfresser-Gebiss. Fleischlose Ernährung führt zu irreparablen Schäden am Gebiss
FRITZ: Ich habe meine Doktorarbeit über Pflanzenfresser geschrieben und kenne mich mit der Zahnstruktur von allen möglichen Lebewesen aus. Aber die These kann man mit ein wenig Grundlagenwissen widerlegen. Hunde brauchen in erster Linie etwas, womit sie die Nahrung packen und reißen können. Also spitze Zähne, um die Felldecke aufzureißen und eine kräftige Kaumuskulatur (Reiß und Backenzähen/Brechschere) um die Knochen kaputt zu kriegen. Hunde kauen nicht im klassischen Sinne. Sie schlingen es runter. - Bei veganer Ernährung können die Nährstoffe vom Hund nicht aufgenommen werden
FRITZ: Es gibt zwei Herausforderungen bei der veganen Ernährung. Da ist zum einen die Deckung des Nährstoffbedarfs, insbesondere des Eiweißbedarfs (bzw. konkret des Bedarfs an essentiellen Aminosäuren = Eiweißbestandteile), welcher beim Hund relativ hoch ist. In dem Zusammenhang gilt es die biologische Wertigkeit (Aminosäuren Struktur) zu berücksichtigen. Diese ist hoch, wenn die Eiweiß Bausteine in der Nahrung gleichwertig zu den eigenen sind. Wie in tierischer Nahrung. Bei pflanzlichen Eiweiß Trägern ist die generell schlechter. Außer bei Soya. Soya Eiweiß ist von der Biologischen Wertigkeit der von tierischem Eiweiß vergleichbar. Der Hund hat einen viel höheren Eiweiß Bedarf als der Mensch. Allein ungefähr 1/3 wird davon für den Fellwachstum benötigt. Wenn ich also Futtermittel verwende, das eine ungünstigere Zusammensetzung hat, können sich leicht Lücken auftun. Also es kann einen Mangel an essenziellen (lebensnotwendigen) Aminosäuren geben. 10 von 20 Aminosäuren sind essenziell und müssen über die Nahrung aufgenommen werden. Sie können also nicht vom Körper selbst hergestellt werden. Bei der veganen Ernährung sind diese Aminosäuren, wie Methionin, Threonin oder Tryptophan häufig zu knapp. Deswegen sind diese bei veganem Fertigfutter oft ergänzt. Auch Taurin oder Carnitin (eiweißähnliche Nährstoffe, die u.a. für den Sehnerv, die Herzmuskulatur oder die Fettverbrennung wichtig sind) kommen nur in tierischen Futtermitteln vor und sollten daher besser ergänzt werden.Die andere Herausforderung ist es die Verdaulichkeit. D.h. die pflanzlichen Futtermittel müssen verdaubar gemacht werden. Genau wie beim Menschen auch. Wir essen Kartoffeln ja auch nicht roh, sondern kochen sie vorher. Und so darf der Hund keine Hülsenfrüchte essen, ohne sie vorher zu kochen.
Manchmal gibt es noch sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe, die möglicherweise Blähungen verursachen können. Beim Soya gibt es einen Trypsin Hemmstoff, den man bei einem bestimmten Prozess unschädlich machen muss. Spurenelemente, die nicht so verfügbar sind. Wegen all dem ist es bei der veganen Ernährung umso wichtiger zu wissen, was ich tue und was ich füttere, und dass man fehlende oder schlechter verfügbare Nährstoffe passend ergänzt. Bei tierischen Produkten gibt es teilweise auch Unterschiede in der Verdaulichkeit. Vor allem bindegewebsreiche Futtermittel, v.a. Kauprodukte wie Schweineohren und Büffelhautknochen oder auch bei Innereien, wie Lunge und Pansen. Das können die Hunde auch essen, aber erzeugt halt auch häufig Blähungen.
Du interessiert Dich selbst für eine vegane Ernährung? Lies hier mehr dazu
„Für Seniorenhunde kann eine vegetarische Fütterung sinnvoll sein.“
Dr. Julia Fritz
BFTB: Nun möchte ich Balu als Senior gerne vegan ernähren. Spricht grundsätzlich etwas dagegen?
FRITZ: Tatsächlich macht es bei einem Seniorhund am ehesten Sinn. Senioren profitieren nämlich von einem Eiweiß ärmeren und Ballaststoffe reicheren Futter. Und das bringt pflanzliche Kost durch die Rohstoffe an sich mit. Die Ballaststoffe regen die Verdauung an, die bei einem älteren Hund eher träger wird. Und in pflanzlicher Nahrung, wie Gemüse und Obst sind weitaus mehr Antioxidantien, die gegen die Zellzerstörung wirkt. Eiweiß und Phosphor sind dagegen ein wenig im Hinblick auf die Organbelastung zu reduzieren. Wobei der Senior auch zum Muskelabbau neigt. Ist bei älteren Menschen ebenfalls ein Thema. Deswegen ist es förderlich hochwertiges Eiweiß wie in Eiern und Milchprodukten. Eine vegetarische Ernährung für Seniorhunde kann daher durchaus sinnvoll sein.
Wenn ich aber höre, ich möchte meinen Welpen vegan ernähren, dann wird mir etwas schlecht. Auch im Wachstum und bei Trächtigkeit und Zuchthündinnen ist von einer veganen Ernährung abzuraten. Der Bedarf und an die Anforderungen an die Ernährung und die Nährstoffversorgung sind deutlich höher.
Letztlich sind Hunde Flexitarier. Sie können sie mit allem ernähren. Man muss nur dafür sorgen, dass man der Nährstoffbedarf gedeckt ist.
BFTB: Worauf kann ich denn bei meinem Hund achten, um zu sehen wie es ihm geht und ob ihm vielleicht etwas fehlt?
FRITZ: Schmeckt es meinem Hund? Bzw. isst er gerne? Ist mein Hund aktiv? Ist das Fell schön? Gibt es hintenrum guten Output? Also ist die Konsistenz o.k. und sind die Mengen moderat? Bei Fertigfutter z.B. 2-3 am Tag.
Trotzdem sind die Überprüfungsmöglichkeiten am Tier begrenzt. Es gibt Nährstoffe, die man äußerlich nicht sehen kann. Wie Kalzium. Wenn der Mineralstoff fehlt, fallen ihm quasi schon die Zähne raus und es ist zu spät. Auch Blutuntersuchungen spiegeln nicht die Nährstoffversorgung wieder. Das Mittel der Wahl ist daher nach wie vor die Rationsüberprüfung. Deswegen ist eine professionelle Hilfe unabdingbar. Fachtierärzte und auf Ernährung spezialisierte Tierärzte, wie wir bei napfcheck.de haben ein ganz anderes Wissen über die Kenntnisse von Nährstoffen. Wir machen genaue Rationsüberprüfungen und empfehlen den Nährstoffbedarf auf wissenschaftlichere Basis. Dazu gehören Nährwerttabellen zu verwendeten Nährstoffen. Zusammen mit den Angaben des Besitzers zu Fütterungsmengen, erstellen wir eine IST/SOLL – Berechnung. Wenn es Lücken gibt, wissen wir, wie diese aufzufüllen sind. Und das geht dann über Nahrungsergänzungsmittel.
Vielen Dank Frau Dr. Fritz, dass Sie sich die Zeit genommen haben.
1 Comment
Chris
7. Juni 2021 at 23:16Interessantes Thema. Ich werde meinen Hund nie mals vegan ernähren, eine ausgewogene Ernährung ist mir sehr wichtig für ihn. Es muss nicht immer Fleich sein was er bekommt, aber ganz darauf zu verzichten halte ich für falsch.